True Story — Mein Leben mit Reizdarmsyndrom
Marille’s Vorwort
Hier könnt ihr meine ganze persönliche Geschichte lesen, wie ich zu meinem reizenden Darm kam, was ich alles ausprobiert und durchgemacht habe und warum ich mich jetzt so ernähre wie ich es tue. Warum ich das öffentlich schreibe und somit auch meine Familie, Freunde, Arbeitskollegen, Verwandte, Bekannte und ihr das alles über mich lesen könnt? Nun ja — für Außenstehende mag das vielleicht einfach den “Horizont erweitern”, indem das Thema einfach mal ein bisschen näher gebracht wird. Was Betroffene wirklich für einen langen und schweren Weg gehen. Ich selber hätte mir das nie vorstellen können. Immerhin wird allegemein ja eher nicht über sowas geredet;-) Zum anderen möchte ich Betroffenen sagen.
Kurzum: Ich habe keine Angst darüber zu schreiben, auch nicht im Hinblick auf meinen Job. Mich schränkt meine “Krankheit” nämlich in der Hinsicht absolut nicht mehr ein sondern macht mich im Gegenteil eher ehrgeiziger und wer mich kennt, weiß meistens sowieso mehr oder weniger Bescheid — man merkt sehr schnell, wenn sich jemand anders ernährt und mir selber ist das Thema schon lange nicht mehr peinlich oder unangenehm. Wenn du also, wer du auch bist, Fragen an mich hast — nur zu! :-) Aber jetzt hier und so:
Meine Odyssee
Als Erstes muss ich sagen, ich hatte früher nie Probleme mit Nahrungsmitteln. Null. Im Gegenteil konnte ich wirklich alles essen und hab’ das auch getan – was man an meiner Figur gesehen hat. Irgendwann hat es mal, in der Oberstufe, geschnackelt und ich fing an abzunehmen. Ohne Diät oder so, ich aß erst weniger und dann gesünder. Im Studium kam dann noch Sport dazu und so nahm ich über Jahre kontinuierlich ab. Das Gewicht ging mit Anfang meiner „Krankheit“ (die ja keine ist, dazu gleich mehr) noch etwas runter, seit einigen Jahren bleibt es aber zum Glück gleich.
In der Zeit zwischen Abitur und Studium fing es dann an. Ich machte ein Praktikum, alles war super. Eines Morgens wachte ich auf und fühlte mich irgendwie aufgebläht. Nicht schmerzhaft aber wirklich unangenehm. Das hatte ich dann immer mal wieder, unregelmäßig, aber es war da. Das war Mitte 2007, als ich dann auch das erste Mal zum Arzt ging. Man verschrieb’ mir Iberogast, aber das Völlegefühl und die Luft im Magen & Darm gingen nicht weg. Es folgten weitere Medikamente und ein Hausarztwechsel zu einer sehr engagierten Ärztin, mit der auch eine jahrelange Odyssee an Untersuchungen und Fachärzten startete. Tests auf Laktoseintoleranz, Stuhlproben, Allergietests, Ernährungsberatung, Ernährungstagebücher, Heilpraktikerin, Gastroenterologe, Internist usw. Alles negativ.
Ich hatte zu der Zeit aber das große Glück, dass die Mutter meines damaligen Freundes bei einem Internisten arbeitete und ich dort in den besten Händen war. So folgten dann auch noch meine erste Magen- und Darmspiegelung. Und oh Wunder, man fand Helicobacter Pylori. So komisch es sich anhört, ich war so froh, endlich was zu haben – das man auch noch behandeln konnte! Es sah alles danach aus, als wäre das der Ursprung meiner Probleme. Ich bekam eine Triple-Antibiotika-Therapie. Der Horror kam, also das Problem bekämpft, es mir aber nicht besser ging. In den Monaten danach folgten dann noch eine Antibiotikabehandlung wegen gefundener Clostridien und direkt im Anschluss noch eine Antibiotikabehandlung wegen Salmonellen (die ich nicht mal bemerkte und mich über den Anruf des Gesundheitsamts wunderte, weil es mir gleich schlecht wie immer ging). Die Ärztin schlug angesichts der Menge an Antibiotika nur noch die Hände über dem Kopf zusammen – es gab aber keine andere Wahl. Super Grundstein für ein Reizdarmsyndrom.
Da mittlerweile alles negativ getestet war, folgte ein dreitägiger Krankenhausaufenthalt zu weiteren Abklärung. Leider passierte dort nicht viel — außer ein negativer Glucose-Atemtest und eine Sonografie mit der heldenhaften Bemerkung des Arztes „Sie haben ja ganz schön viel Luft im Darm“. Ach nee. Zur Entlassung gab man mir dann zum ersten Mal die Diagnose „Reizdarmsyndrom“ mit auf den Weg – man hätte mich wahrscheinlich mit dem vielen Antibiotikum krank gemacht. Danke auch. Da ich mich damals schon seit Jahren mit gesunder Ernährung beschäftigte, war ich zum Glück nicht bei Null, sondern hatte schon eine gute Wissensgrundlage, die ich allerdings über die letzten Jahre um ein Vielfaches erweitert habe. Trotzdem war die Aussage des Arztes ernüchternd. Reizdarm könne man nicht behandeln, sei viel zu individuell, ich müsse eben schauen wie ich am besten damit zurechtkomme. Leider hatte er vollkommen Recht. Er empfahl mir eine Ausschlussdiät, wie sie auch Allergiker machen. Ich aß also eine Woche lang nur gesalzenen Reis und trank Wasser. Solange braucht der Körper, um alle vorhandenen Allergene im Körper auszuschwemmen. Anschließend wird immer ein neues Nahrungsmittel dazu getestet. Wird es vertragen, nimmt man es nach 2 Tagen auf eine Liste mit auf und testet das nächste. Verträgt man es nicht, geht es wieder zurück zu Reis und Wasser, bis sich der Körper beruhigt hat. Die Woche Reis war tatsächlich eine der besten Wochen seit langem. Meinem Darm ging es super – nur hatte ich dann durch die Mangelernährung ständig Schüttelfrost, Kopfschmerzen und war todmüde. Ich werde allerdings niemals den Geschmack der Karotte vergessen, die ich nach einer Woche testete. Jedoch nicht vertrug und irgendwann das Projekt frustriert aufgab.
Es folgten durch meine Hausärztin noch weitere Tests, die man im Krankenhaus „versäumt“ hatte zu testen. Auch wieder negativ – trotzdem riet mir der Gastroenterologe, eine Weile auf Gluten zu verzichten, weil das manchmal auch ohne Zöliakie zu einer Verbesserung führen würde. Tat es leider nicht. Ebenso wenig wie die Monate, in denen ich auf Laktose und Histamine verzichten sollte. In den ganzen Jahren, wurden die Beschwerden leider immer schlimmer und waren auch nicht mehr zeitweise sondern dauerhaft da. Ich konnte immer weniger Lebensmittel essen ohne darauf mit einem Blähbauch und extremen Völlegefühl zu reagieren. Ich habe nicht die Symptome welche die meisten Reizdarmpatienten haben (Durchfall oder Verstopfung), sondern sehe aus, als würde ich bald ein Kind gebären. Hosen die morgens einen Gürtel zum Halten brauchen musste ich abends aufmachen. Nicht nur sehr schmerzhaft, da es auf die Rippen, die Organe und das Herz drückt und auch mal zu Erbrechen führen kann, weil einem dann einfach übel wird – es ist auch wirklich unbeschreiblich unangenehm, wenn es dauerhaft ist. Trotzdem aß ich eben normal weiter, es gab ja nichts, was es weniger schlimm machte – spätestens nach dem Mittagessen war es so schlimm, dass ich nur noch heim wollte. Es ging nicht mehr um Leben, sondern um Überleben. Jeden einzelnen Tag. Jahrelang. Offensichtlich ungünstige Lebensmittel wie Zwiebeln und alles was allgemein als blähend bekannt ist konnte ich meiden, trotzdem half es mir nicht wirklich.
Ich versuchte vom Hausmittel wie Kümmel, über Antibiotikum und Antidepressiva (die bei manchen Reizdarmpatienten helfen, weil sie den Darm „träge“ machen) bis hin zu „nehmen Sie die Gobuli, geben diese ins Wasser, rühren dreimal im Uhrzeigersinn mit Ihrer starken Hand um und trinken Sie dann“ wirklich ALLES. NICHTS half. Ich konnte und wollte nicht akzeptieren, dass man nichts dagegen machen kann. Ich nichts machen kann.Und vor allem, dass es wirklich Reizdarm sein soll – immerhin war ich ja nicht mal mit den typischen Beschwerden gestraft, sondern eher mit den Symptomen einer Gluten- oder Laktoseintoleranz. Es folgte ein weiterer Internist, der Vater eines Bekannten und bekannt für seine Hartnäckigkeit. Doch nach einer weiteren Magen- und Darmspiegelung und der Untersuchung der Schilddrüse, musste auch er die Flinte ins Korn werfen.
Irgendwann war es mir einfach zu blöd. Ich hatte keinen Lust mehr auf Ärzte oder vielmehr auf ergebnislose Untersuchungen. Jedes Mal wenn ich hörte ich sei gesund, brach ich frustriert in Tränen aus – kann man sich schwer vorstellen, ich weiß;-) Also beschloss ich es zu lassen und mich darauf zu konzentrieren, für mich selber den Weg zu finden, am besten damit zu leben. In der Zwischenzeit war ich mit dem Studium fertig, zog im Anschluss direkt von Stuttgart nach Karlsruhe und begann zu arbeiten – auch in der Hoffnung, mit einem neuen Lebensabschnitt würde es vielleicht besser. In so einer Situation versucht man sich öfter mal was einzureden. Ich hatte ich bis dahin meine Ernährung immerhin soweit optimiert, dass es nicht mehr ganz so schlimm war und ich sogar die Arbeitstage halbwegs ok überstand. Allerdings nicht zur Freude der übrigen Gesundheit – ich aß in der Zeit hauptsächlich Brezeln, weil ich die komischerweise wirklich gut vertrug, fast am besten. In der Zeit war ich bei zwei Osteopathen – die sehr gut waren und mir auch sehr geholfen haben. Allerdings eher meinem allgemeinem Wohlbefinden und meinen Rückenbeschwerden die in der Zeit anfingen (Skoliose und Vorstufe zu Osteoporose, wahrscheinlich auch durch die unumgängliche Mangelernährung mitverursacht) halfen und nicht meinem Reizdarmsyndrom.
Da es mir Ende 2012 wirklich schlecht ging, ich so tierisch genervt von meinem Körper war und ich absolut keinen Bock mehr auf diesen Scheiß hatte, beschloss ich wieder ärztliche Hilfe zu suchen, um zu lernen mit meiner Krankheit zu leben, also sie wenigstens akzeptieren zu können. Ich lies mich auf ein Experiment ein und war im Sommer 2013 für sechs Wochen im Städtischen Klinikum Karlsruhe auf der psychosomatischen Station. Wir hofften, dass ich dort „Methoden“ und Wege an die Hand kriege, um mich besser mit dem Reizdarm arrangieren zu können. Leider klappte das nicht, vermutlich weil die Station auf Patienten mit Depressionen und ähnlichem ausgelegt ist und eben auf niemanden, der einen Reizdarm hat. Ich kam zwar viel gelassener wieder aus der Klinik, allerdings eben ohne Veränderung oder Hilfe. Aber irgendwie reichte das, diese neue Ruhe und Energie, um für das Jahr neue Energie zum Kämpfen zu haben. Und mir ging es mit der Ernährung im Bezug auf meinen Darm erst mal wieder ganz gut – sie war halt wirklich sehr mangelhaft. Ein paar Monate später kam ein Jobwechsel und damit wieder eine Gruppe Menschen, denen ich mein Problem erklären „musste“ – man merkt schließlich, wenn jemand nur Brezeln isst und fragt sich berechtigterweise warum, ich schrieb es bereits oben;-) Zufällig hatte ich da eine Kollegin, die ein grob ähnliches Problem hatte und durch eine Blutanalyse und darauf abgestimmte Lebensmittel aber wieder nahezu beschwerdefrei wurde. Nach kurzer Recherche fiel das Stichwort „Metabolic Balance“, was mir bekannt war – aber nicht in dem Zusammenhang. Hin- und hergerissen (ich wollte nicht schon wieder was (Aussichtsloses) versuchen, aber konnte auch nicht weiter so reduziert essen – man friert eben die ganze Zeit, fühlt sich schlapp etc) kam ich über eine Bekannte zu einer Heilpraktikerin in der Nähe von Karlsruhe. Nach meiner ersten Skepsis (meine erste und letzte Erfahrung mit einer Heilpraktikerin war diese strange Globoli-Erfahrung weiter oben im Text, kein Witz), macht ich Ende 2013 einen Termin aus und hatte wirklich Glück. Am Ende machte ich nämlich doch kein Metabolic Balance, sondern eine ausführliche Stuhluntersuchung, wie sie ein Arzt nämlich nicht macht. Die musste ich zwar selber zahlen, hatte aber zum ersten Mal schwarz auf weiß, dass ich wirklich im Körper (und nicht im Kopf;-)) einige ziemlich schlechte Werte hatte. Also: Da läuft Einiges gewaltig schief! Grob gesagt, die ganze Darmflora und mein Stoffwechsel, waren völlig aus der Reihe, hatten zu viel hiervon, zu wenig davon. Da liefen einige Prozesse wirklich falsch. Wer sich dafür interessiert, kann mir gerne eine e-Mail schreiben. Die Heilpraktikerin erstattete mir das Geld für MB problemlos und empfahl mir stattdessen zwei pflanzliche Produkte um diese Prozesse wieder in Gang und meinen Stoffwechsel zurück auf die richtige Spur zu bringen. Am meisten Erfolg brachte Probiotic pur – das sich durch ein bestimmtes Probiotikum durch andere Probiotika unterscheidet. Ich musste es allerdings über mehrere einschleichen. Die ganze Dosis auf einmal machte mir schlimme Probleme. Zu dieser Zeit ging es mir gesundheitlich wieder ziemlich schlecht und ich wusste, wenn sich bald nichts ändert, dann raste ich aus.
Im Januar 2014 hatte ich nicht nur Geburtstag, sondern auch eine Woche Urlaub – und diese Woche war der Wendepunkt. Um die Texte nicht doppelt zu schreiben, könnt ihr das in den bereits existierenden Beiträgen ganz genau nachlesen. In Gesundheit reloaded geht es im ersten Teil mit der Umstellung los und im Teil Daily Food Challenge, wie die Praxis verlaufen ist.
Die Gegenwart
Mittlerweile geht es mir ziemlich gut. Ich behaupte, dass diese Umstellung ca. 70% aller Beschwerden verbessert hat, an manchen Tagen sogar noch mehr. Ich kann auch weitere Lebensmittel essen und teste mich immer weiter ran. Gluten und Laktose meide ich nicht mehr rigoros, ich kann beschwerdefrei eine Brezel, eine Kugel Eis oder ein paar Stücke Schokolade essen. Wie ein “Verzicht” kommt mir meine Ernährung absolut nicht vor, das werde ich nämlich ziemlich oft gefragt. Ich habe nämlich so viele neue Lebensmittel kennen gelernt, die mir früher nicht mal was gesagt haben, und sehe das also als Bereicherung, nicht als Einschränkung. Unter der Woche passe ich nach wie vor auf was ich esse, um mir selber nicht den Tag schwer zu machen. Aber auch ich hab’ manchmal Gelüste und dann gibt es am Wochenende oder im Urlaub schon mal was, das ich nicht vertrage. Dann ist danach eben Schontag. Ich wiege eben zwischen Lust auf etwas und Lust auf die Konsquenzen ab — manchmal überwiegt die Lust, manchmal die Vernunft;-)
Was ich damit sagen will?
Lasst euch nicht von eurem Körper unterkriegen! Und hört auf ihn, nicht auf die Ärzte. Die jahrelangen wöchentlichen Arztbesuche haben mir absolut nichts gebracht. Außer, dass ich irgendwann mit den Nerven am Ende war. Klar macht es Sinn, auf offensichtliche Allergien und Intoleranzen zu testen. Aber wenn nichts gefunden wird, bringt krampfhaftes Weitersuchen und dem Problem einen Namen geben nichts. Was habt ihr davon, wenn eure Beschwerden einen Namen haben? Null. Genau. Spart euch den Stress, geht in euch und fangt mal ganz klein an. Tastet euch ran an was euch gut tut und was nicht. Auch über das Essen hinaus. Wenn es mir so richtig schlecht geht, hilft Laufen gehen super. Man merkt dabei die Beschwerden nicht so, weil man ja in Bewegung ist, die Verdauung kommt außerdem in Schwung und man kann den ganzen Frust mal raus lassen. Sucht euch ein Ventil. Ich bin mir sicher jeder der das möchte, kann seine Gesundheit und dadurch auch seine Lebensqualität bis zu einem gewissen Grad selbst verbessern und bestimmen. Do it!